Es tut sich etwas bei dem umstrittenen Verkauf der .org-TLD: Jetzt hat sich Kaliforniens Generalstaatsanwalt Xavier Becerra in den Vorgang eingeschaltet, der für die Kontrolle der in Kalifornien residierenden Icann zuständig ist. Becerra fordert in einem umfangreichen Fragenkatalog unter anderem die Herausgabe aller E-Mails, die im Zusammenhang mit dem .org-Verkauf zwischen den beteiligten Organisationen Icann, PIR und ISOC gewechselt wurden.
Durch diese insgesamt 35 Fragen des obersten Ermittlers dürfte sich der Verkauf der TLD um mindestens zwei Monate verzögern und und dabei endlich auch die nötige Transparenz schaffen, die von Kritikern gefordert wird.
Es könnte sogar dazu führen, dass der Generalstaatsanwalt mit seinen Fragen den Verkauf verhindert – die Icann kündigte schon an, mit ihm zu kooperieren und auch als vertraulich eingestufte Informationen herauszugeben.
Der Hintergrund der Ermittlungen
Man muss sich ja auch fragen, warum zwei der wichtigsten Organe des Internets, die Icann und die gemeinnützige ISOC (Internet Society), ohne erkennbaren Grund und mit fadenscheinigen Argumenten die .org-Domain verkaufen.
Die .org-TLD wird bisher von dem nicht gewinnorientierten Unternehmen Public Interest Registry (PIR) betrieben und soll an den bis zu dem Zeitpunkt völlig unbekannten Finanzinvestor Ethos Capital verkauft werden. Die Frist für die Verkaufsentscheidung lief eigentlich am 17. Februar ab. Inzwischen hat die Icann aber schon eine Fristverlängerung auf den 20. April bei der PIR beantragt, um die Fragen des Generalstaatsanwaltes abzuschließen und auch eigene Überprüfungen durchzuführen.
Die Aufhebung der Preisobergrenze für .org-Domains
Neben der umfassenden Einsicht in die Dokumente zum Verkauf will der Generalstaatsanwalt auch Antworten auf Fragen rund um die Aufhebung der Preisobergrenzen für .org-Domainnamen im letzten Jahr beantwortet haben.
Denn die 11,5 Millionen .org-Domains werden zurzeit mehrheitlich von gemeinnützigen Organisationen und Open-Source-Projekten genutzt. Als Begründung für die Abschaffung der Preisobergrenze hatte die Icann die Vereinheitlichung der Verträge für alle TLDs angegeben und trotz massiver negativer Kommentare und Proteste einfach durchgepaukt.
Zu dem Zeitpunkt betonte Betreiber PIR zwar, die Preise zunächst nicht anpassen zu wollen, das könnte aber nach einem Verkauf an Ethos Capital vorbei sein, und der neue Eigentümer könnte diese die Preise deutlich erhöhen.
Für die Newsseite Golem liest sich die Geschichte des .org-Verkaufs wie ein Mafia-Krimi mit Briefkastenfirmen, seltsamen Zufälle und zwielichtigen Gestalten – gespickt mit jeder Menge Intransparenz und Widersprüchen.
Ein neuer Kaufinteressent tritt auf
Generalstaatsanwalt Becerra dürfte mit seinem Fragenkatalog jetzt endlich Licht ins Dunkel bringen. Inzwischen hat eine gemeinnützige Kooperative aus Wikipedia-Chefin, Icann-Gründer und dem technischen Betreiber von .org angekündigt, die .org-Domain kaufen zu wollen. Der förmlich nach Wirtschaftskriminalität riechende Krimi geht also weiter.
Wer gerade über Internetseiten unter einer .org-Domain nachdenkt, sollte vielleicht besser erst einmal den Ausgang des traurigen Spiels abwarten.
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